An der südlichen Wand der großen Woze-Halle des Klosters Samye gibt es einen alten Gedenkstein. In ihn sind antike tibetische Schriften eingraviert worden. Man sagt, diese Schriften seien vom 37. König von Tibet, Thrisong Detsen, geschrieben worden und zeichnen die Geschichte des Baus des Klosters Samye auf. Samye wird eng mit Thrisong Detsen verbunden. In der späteren Geschichtsperiode werden der 1. König von Tibet, Relpacen, der 33. König von Tibet, Songtsen Gampo, und Thrisong Detsen gemeinsam als die „drei Dharma-Könige Tibets“ (die drei Könige, die den Buddhismus betreiben) bezeichnet. Sie haben in der tibetischen Geschichte zur Entwicklung des tibetischen Buddhismus beigetragen.
In der Amtszeit von Thrisong Detsen erhöhte sich die Produktivität in der Tubo-Gesellschaft schnell. Die Wirtschaft boomte beispiellos. Die Fläche des Reiches erreichte ein Rekordhoch. Neben dem ganzen tibetischen Hochland erstreckte sich das Territorium bis zum Westen von Sichuan, dem Nordwesten von Yunnan sowie nach Zentralindien und manchen Teilen von Nepal. Die meisten Regionen des heutigen Xinjiang, Gansu und Ningxia wurden auch darin aufgenommen. Gerade vor diesem Hintergrund wurde der tibetische Buddhismus schnell verbreitet und entwickelt. Die wichtige Stellung des Buddhismus in der tibetischen Gesellschaft wurde gelegt.
Im Jahr 763 wählte Thrisong Detsen persönlich den Standort aus, und die Meister Padmasambhava und Shantarakshita entwarfen und bauten das Kloster Samye. Nach dem Abschluss des Baus im Jahr 779 kam Thrisong Detsen vom Potala-Palast hierher und nahm an der Einweihung teil, womit der überdauerte Boom des tibetischen Buddhismus in der tibetischen Geschichte begonnen hat.
An jedem Tag wehen glückliche Wolken im klaren Himmel über dem Fuß des Brahma-Bergs. Die Sonne strahlt bis zu den üppigen Wäldern und grünen Weiden. Es herrscht eine ruhevolle und friedliche Szene. Thrisong Detsen steht in der Woze-Halle, verbeugt sich vor der Statue von Buddha Schakjamuni ehrerbietig, wendet sich zu den Adligen und Ministern um, gibt das offizielle Edikt zur Abschaffung der traditionellen tibetischen Religion Bön bekannt und verkündet, dass der tibetische Buddhismus die Religion sei, an die alle Tibeter glauben sollen. Zugleich schickt er sieben Kinder der Adligen zum Lernen der buddhistischen Lehren zu Padmasambhava und dem Abt Shantarakshita. Sie sind die ersten tibetischen Mönche, die im Kloster Samye tonsuriert werden und buddhistische Übungen machen. Der Meister Padmasambhava und der Abt Shantarakshita stehen mit einem Lächeln auf dem Gesicht an den beiden Seiten von Thrisong Detsen und betrachten mit weitsichtigem Blick das Tubo-Volk, als ob sie gesehen haben, dass der tibetische Buddhismus auf dem tibetischen Hochland Fuß fasst, sich weiter entwickelt und einen großen Einfluss ausübt.
Die oben genannte Beschreibung ist die auf der Wand in der Woze-Halle gemalte Szene. Das riesige Wandgemälde wird als „Erzählung der tibetischen Geschichte“ bezeichnet und beschreibt nach der Chronologie jede gewaltige und wichtige Angelegenheit in der tibetischen Geschichte. Es fängt mit den Legenden in grauer Vorzeit an. Zuerst wird die Geschichte erzählt, wonach die Vorfahren der Tibeter den heiligen Affen heiraten und die Menschen gebären. Dann werden die folgenden Geschichten beschrieben: der Aufstieg von den verschiedenen Stämmen Yarlung, das Leben des ersten Tubo-Tsenpo Relpacen, die Einführung der buddhistischen Sutren vom Himmel nach Tibet, die Vereinigung von Tibet durch Songtsen Gampo, das Bild des Grabes des Qonggyai-Königs von Tibet, der Empfang der nepalesischen Prinzessin Bhrikuti und der Tang-Prinzessin Wen Cheng, der Aufbau des Jokhang-Tempels, die Fahrt der Tang-Prinzessin Jin Cheng nach Tibet, die Tibet-Reise von Padmasambhava, der Aufbau des Klosters Samye, die antibuddhistische Haltung Lang Darmas, der Tibet-Besuch von Atisha, der Wechsel der Dynastien Sakya, Karma und Pagmo Zhuba sowie die Gründung der Gelug-Schule von Tsongkhapa.
Der Meister Padmasambhava zählt zu den großartigsten Meistern in der buddhistischen Geschichte. Seine Statue befindet sich im ersten Stockwerk in der großen Woze-Halle. Die Statue sitzt auf den Lotusblumen und nimmt einen Vajra in der Hand, verfügt über die friedliche Gestik und den intelligenten Blick. Diese Statue wurde im 8. Jahrhundert gestaltet. Man sagt, als Padmasambhava die Statue sah, habe er „Genau wie ich“ gesagt und die Statue gesegnet. Das berühmte Werk „Tibetisches Totenbuch“ wird von vielen in- und ausländischen Philosophen für das Buch des Seelentrostes gehalten. Es handelt sich um ein klassisches Werk von Padmasambhava vor mehr als 1200 Jahren. Laut diesbezüglichen Aufzeichnungen sitzt Padmasambhava auf einer alten Lotusblume im antiken Indien. Auf Einladung des 37. Königs von Tibet Thrisong Detsen reist er nach Tibet, um die buddhistischen Lehren zu verbreiten. Gemeinsam mit dem Abt Shantarakshita lehrt er den tibetischen Schülern die buddhistischen Lehren, lernt die Sutren-Übersetzung, übersetzt die exoterischen und esoterischen Sutren ins Tibetische, gründet die exoterischen und esoterischen Schulen und die esoterischen Übungsstätten, entwickelt zwei Mönchsysteme, nämlich die Übung zu Hause und die Übung außerhalb, legt den Samen für den Buddhismus in Tibet und begründet den tibetischen Buddhismus. Padmasambhava ist sowohl ein ehrwürdiger Meister der Nyingma-Schule (roten Religion) als auch der geistige Meister des tibetischen Buddhismus.
Alle heiligen Gegenstände, heiligen Spuren, rituellen Gegenstände, Thangka-Bilder und Sutren im Kloster Samye können nicht sprechen, sehen aber aus, als ob sie alte Lebenskraft haben, am stillen Ort deine Haltung betrachten und ein Lächeln zeigen, das aussieht, als verstehen sie alle Angelegenheiten auf der Welt. Die Mönche, Gläubigen und Touristen bringen in der Halle den Buddha-Statuen Opfer dar, verbeugen sich vor den Statuen ehrerbietig oder betrachten sie. Alles ist in Ordnung und Stille.
In den Bergen und Tälern rund um das heutige Kloster Samye baut man auf dem wenigen Ackerland Hochlandgerste, Weizen, Erbsen und Raps an, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Um Samye gibt es auch viele alte Übungsstätten. Qingpu und Yamalong von den drei ältesten tibetischen Übungsstätten befinden sich hier. Nach ihnen sehnen sich die Mönche das ganze Leben. Viele Mönche wohnen in den Höhlen und Strohhütten, um Übungen zu machen. Sie essen wenig Getreide und trinken Buttertee, und suchen fleißig nach der Wahrheit des Universums. In ihrer Welt gibt es nur die Sonne, die Sterne und den Mond.
Die Sonne beginnt unterzugehen. Die Welt ist still. Nur flüstert der Wind in den Gebetsfahnen. Es scheint, als ob die Zeit still steht. Ein hockender junger Mönch streckt beide Hände und unterhält sich mit einer Taube.
(Redakteur:Soong)