Der leichte Regen ließ in den Abendstunden allmählich nach, und der gereinigte Sternenhimmel wölbte sich tief und klar über das Dorf. Der Duft von gegrilltem Lamm vermischte sich mit der feuchten Abendluft und durchdrang die nächtliche Stimmung im Dorf Jidui des Kreises Dinggyê in der bezirksfreien Stadt Xigazê im Autonomen Gebiet Xizang. Es war der siebte Tag des siebten Mondmonats - das traditionelle Qixi-Fest, das durch die Anwesenheit von drei Ehepaaren eine besonders tiefe emotionale Bedeutung erhielt.
Unter ihnen befanden sich das Qiang-Ehepaar Wen Liantong und He Fuyan aus dem Autonomen Bezirk Ngawa der Tibeter und Qiang in der Provinz Sichuan sowie Wen Lianmei, Wen Liantongs Schwester, und ihr han-chinesischer Ehemann Jing Shitai. Alle vier waren Augenzeugen des verheerenden Erdbebens von Wenchuan im Jahr 2008. In jenem Jahr hatten Wen Liantong und He Fuyan gerade ihre Ehe geschlossen, während Wen Lianmeis Kind erst drei Monate alt war. Die Katastrophe markierte nicht nur einen entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben, sondern schmiedete auch ihren festen Entschluss, künftig anderen in Not zu helfen.
Nach dem Erdbeben der Stärke 6,8 in Dinggyê in diesem Jahr machten sich die vier ohne Zögern auf den Weg nach Xizang, um am Wiederaufbau des Dorfes Jidui teilzunehmen – und blieben über drei Monate. Ursprünglich hatten sie nie das Qixi-Fest gefeiert, doch am Vorabend dieses Tages veranstaltete das örtliche Arbeitsteam eigens für sie und ein einheimisches „Musterpaar“ eine besondere Festivität.
„Die Bauarbeiten drängen eigentlich, ursprünglich wollten wir nicht kommen“, sagte Wen Liantong. Doch Li Haofeng, der erste Sekretär der Parteizelle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) des Dorfes, ließ nicht locker: „Der Wiederaufbau kann morgen weitergehen, aber dieses Qixi-Fest in Xizang erlebt ihr nur einmal im Leben.“ Bei der gemeinsamen Mahlzeit erzählte Wen Liantong mit unüberhörbarem Stolz von seinem tibetischen Lehrling Wangdu. „Am Anfang konnte er praktisch nichts“, erinnerte er sich, „aber jetzt sind seine Tischlerfähigkeiten kaum noch von meinen zu unterscheiden.“ Wen Lianmei berichtete mit leicht stockendem Mandarin von den Dorfbewohnern, die ihnen Buttertee, Ölkuchen und Kartoffeln brachten, und lächelte dabei. Jing Shitai sagte wenig, blickte aber immer wieder zu seiner Frau – seine Augen spiegelten 23 Jahre gemeinsamen Lebens wider.
Auch die Geschichte des einheimischen Ehepaares Migmar und Bechin berührte die Anwesenden zutiefst. Obwohl ihr eigenes Haus durch das Erdbeben schwer beschädigt worden war, halfen sie zunächst älteren Dorfbewohnern, Zelte aufzubauen, Möbel zu tragen und ihre Höfe zu ordnen. Bechin, die als KPCh-Mitglied aktiv ist, brachte ihre Überzeugung mit den Worten auf den Punkt: „Wenn Eheleute an einem Strang ziehen, können sie Berge versetzen. Heute helfen wir anderen, morgen werden uns andere helfen.“ Zhao Tao, der verantwortliche Beamte für das Dorf, würdigte den Einsatz der Helfer: „Diese Bauarbeiter sind weit von ihrer Heimat gekommen, um uns beim Wiederaufbau unserer Häuser zu unterstützen. Sie sind nicht nur Ehepaare, sondern auch Kampfgefährten. An Qixi, dem Fest der Liebe, möchten wir ihnen auf die schlichteste Weise unsere Dankbarkeit zeigen.“
In einer Woche werden die Ehepaare Wen Liantong und Wen Lianmei ihre Mission beenden und das Dorf Jidui verlassen müssen. Dieser Abend unter dem funkelnden Sternenhimmel Xizangs wird wahrscheinlich der einzige Qixi-Abend bleiben, den sie je gemeinsam in dieser Region verbringen werden. Mit Einbruch der Dunkelheit entzündeten die Dorfbewohner ein Lagerfeuer, dessen flackerndes Licht die Gesichter der Versammelten erhellte. Menschen verschiedener Volksgruppen – Tibeter, Qiang und Han-Chinesen – fanden sich im Kreis zusammen, teilten das würzig duftende gegrillte Lamm und tauschten sich in herzlicher Atmosphäre über Alltägliches und Zukünftiges aus. Dieses besondere Qixi-Fest brauchte keine materiellen Geschenke, denn es war geprägt von den wertvollsten zwischenmenschlichen Beziehungen. Statt eines luxuriösen Restaurants erlebten alle Beteiligten eine wärmende Gemeinschaft, die Grenzen überwand. Während auf der Baustelle von Jidui Stahl und Beton Tag für Tag sichere Häuser entstehen ließen, schufen solche gemeinsamen Nächte etwas ebenso Wichtiges: eine geistige Heimat, die alle Volksgruppen der chinesischen Nation miteinander verbindet und deren gemeinsame Werte stärkt.
(Redakteur: Daniel Yang)