Mit einer Behinderung leben zu lernen ist nicht leicht, besonders, wenn es sich um eine Sehbehinderung handelt. Doch für Sabriye Tenberken aus Deutschland ist die Blindheit noch lange kein Grund, nicht auch ein erfolgreiches, glückliches und für andere Menschen inspirierendes Leben führen zu können.
Seit mehreren Jahren schon unterrichtet Tenberken blinde Kinder in Tibet. Selbst seit dem Alter von etwa 13 Jahren auf Grund einer angeborenen und fortschreitenden Netzhautdegeneration vollständig erblindet, bringt sie den Kindern bei, wie sie für sich selbst sorgen können. Die Gründerin des Projekts "Braille without Borders" – Blindenschrift ohne Grenzen – ist dabei eine ständige Quelle der Inspiration für die Kinder.
Das Ziel des Projektes ist es, 100 blinde tibetische Kinder vollständig in die tibetische Gesellschaft zu integrieren. Das ist keine leichte Aufgabe, denn einerseits ist Tibet einer der abgelegensten Orte der Welt. Andererseits gab es in Tibet bis vor einigen Jahren praktisch keine Schulen für blinde Kinder.
Als Sabriye Tenberken 1997 alleine nach Tibet reiste, war sie zunächst erschüttert über die Zustände vor Ort: "Die meisten der blinden Kinder kamen aus ländlichen Gebieten, wo sie das Haus ihrer Eltern meist nicht verlassen durften, da die Blindheit in Tibet als Strafe für Verfehlungen in einem früheren Leben gilt", sagt Tenberken. "Ich war schockiert über die Zustände vor Ort. Diese Kinder waren doch überhaupt nicht anders als all die anderen tibetischen Kinder, denn meiner Erfahrung nach kann ein blinder Mensch mit dem entsprechenden Training jede Herausforderung meistern."
Schon kurz nachdem sie 1970 in Köln auf die Welt kam wussten die Eltern von Sabriye Tenberken, dass ihre Tochter bald erblinden würde. Und so reisten sie viel mit ihrer Tochter umher, damit diese vor ihrer Erblindung noch so viele Farben, Bilder und visuelle Eindrücke wie möglich in sich aufsaugen konnte.
Später besuchte Tenberken eine deutsche Blindenschule, wo sie neben Reiten, Ski fahren und Wildwasser-Rafting auch lernte, ein völlig eigenständiges und unabhängiges Leben zu führen. "Die Techniken und Unterrichtsmethoden an dieser Schule öffneten mir die Tür in eine neue Welt. Ich fühlte mich gar nicht sehbehindert."